Kurz vorab: Ich bin nicht genderqueer und beschreibe meine Erfahrungen und Überlegungen aus einer privilegierten cis Sicht. Ich erhebe damit keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Wie ihr der Vorabinfo entnehmen könnt, bin ich ein cis Mann. Eigentlich war ich mir dessen auch immer bewusst und selbstsicher damit. Warum also schreibe ich diesen Beitrag?
Weil ich – wie die meisten – in einer heteronormativen Welt sozialisiert wurde und bestimmte Geschlechternormen mit auf den Weg bekommen habe. So basic Sachen, wie Jungs spielen tendenziell weniger mit Puppen und verkleiden sich eher als Pirat. Jungs tragen keine Netzkleidung, Crop Tops oder ähnliches.
Nun habe ich mich vor einigen Jahren entschlossen, dass einige dieser Normen für mich nicht passen. Eigentlich keine große Sache, Max trägt eben doch Crop Tops, Make Up und hohe Schuhe. Gut, hat ein paar Jahre gebraucht, bis ich damit selbstbewusst auftreten konnte, aber mittlerweile ist mir klar, es passt zu mir, es macht mir Spaß, es entspricht meinem Selbstbild.
Trotzdem hat es mich Anfang 2021 zum Nachdenken gebracht. Wenn man es genau nimmt, sind mir die Gedankengänge mittlerweile etwas unangenehm. Aber ich habe ernsthaft damit gerungen, ob ich nicht vielleicht doch im nicht-binären Geschlechtsspektrum bin. Offensichtlich saß der Gedanke, dass Geschlecht etwas mit der eigenen Präsentation und gesellschaftlichen Normen zu tun hat, so tief in mir, dass ich, obwohl ich schon zu der Zeit aktiv Geschlechternormen abgelehnt habe, nicht sicher war, ob ich dann noch ein Mann sein kann.
Zu keinem Zeitpunkt hatte ich dabei das Gefühl, dass meine Pronomen nicht zu mir passen. Nie hatte ich das Gefühl, dass mein Name ein anderer sein müsste. Ich habe mich immer in meinem Körper wohl gefühlt. Naja, in dem üblichen Rahmen. Klar passen einem im Laufe des Lebens ein, zwei oder 20 Eigenschaften des eigenen Körpers nicht, aber im großen Ganzen war ich zufrieden.
Ungeachtet dessen hat sich etwas falsch angefühlt. Welcher Mann zieht sich schon an wie ich? Verhält sich in der Öffentlichkeit wie ich? (Spoiler: Tatsächlich einige, aber das sieht man in den Momenten nicht und in jedem Fall oft nur in den Sozialen Medien) Dabei kam viel mehr auf, als nur Optisches. Wie steht man zu den eigenen Gefühlen, ist man eher emotional? Passt das jetzt in das Klischee “schwuler Mann” oder doch eher genderqueer?
Persönlich spannend finde ich im Nachhinein dabei, dass es primär nicht die Kommentare anderer auf der Straße, sondern wirklich eigene Gedanken waren, die Grundlage der Zweifel an meiner Geschlechtsidentität waren.
Der innere Kampf hat mir aber auch etwas gebracht. Er hat mir gezeigt, wie tief anerzogene Denkmuster in uns stecken. Er hat mir aber auch klar gemacht, wie privilegiert ich im Vergleich zu trans* Personen bin, die zusätzlich zur Genderdysphorie auch noch damit zu kämpfen haben, wie sie sich präsentieren. Denn nur weil jemand z. B. trans* Mann ist, heißt das noch lange nicht, dass er nicht – genau wie ich – Make Up oder andere, in der Gesellschaft Frauen zugeordnete, Dinge mag. Nur erwartet selbst die queere Community z. T. von trans* Personen, dass sie “passen”. Was im Endeffekt die Erwartung setzt, genau in Geschlechternormen zu passen.
Insofern war das Ganze für etwas gut. Und ich kann jede*n ermutigen sich so auszuleben, wie man gerade Lust hat. Das kann sich natürlich auch im Laufe des Lebens wandeln und in ein paar Jahren wieder ganz anders aussehen. Wichtig ist aber, dass man es von sich und den eigenen Bedürfnissen abhängig macht, nicht von den Erwartungen anderer. Und nochmal für alle – inklusive mir – zum Merken: Sexualität und Geschlechtsidentität haben erstmal nichts damit zu tun, wie man sich kleidet, was man mag und welche Charakterzüge man so hat.
Sidenote: Eine weitere Erkenntnis aus dem Text ist auch, dass es Sinn macht nach Pronomen zu fragen, statt sie anhand von Äußerlichkeiten fest machen zu wollen. Meine sind übrigens er/ihm, aber im Prinzip ist mir egal, welche ihr für mich verwendet. Danke!